Benjamin Baumslag, Bruce Chandler: Gruppentheorie. Theorie und Anwendung

McGraw-Hill, Düsseldorf/..., 1979

Vorwort

"Die Beschäftigung mit Gruppen kam im neunzehnten Jahrhundert in Zusammenhang mit der Lösung von Gleichungen auf. Ursprünglich war eine Gruppe eine Menge von Permutationen mit der Eigenschaft, daß die Kombination von zwei Permutationen auch zur Menge gehört. In der Folge wurde diese Definition verallgemeinert auf den Begriff einer abstrakten Gruppe, die als eine Menge definiert wurde, nicht notwendigerweise von Permutationen, mit einer Vorschrift für die Kombination ihrer Elemente gemäß weniger, einfacher Regeln.

Die Theorie abstrakter Gruppen spielt eine bedeutende Rolle in der heutigen Mathematik und Naturwissenschaft. Gruppen treten in verwirrender Vielzahl von scheinbar nicht zusammenhängenden Gebieten auf. So kommen sie vor in der Kristallographie und der Quantenmechanik, in Geometrie und Topologie, in Analysis und Algebra, in der Physik, der Chemie und sogar in der Biologie.

Einer der bedeutendsten intuitiven Begriffe in Mathematik und Naturwissenschaft ist die Symmetrie. Gruppen können Symmetrie beschreiben; in der Tat sind viele Gruppen in Mathematik und Naturwissenschaften bei der Untersuchung von Symmetrien aufgetreten. Dies erklärt in gewisser Weise, warum man es so häufig mit Gruppen zu tun hat.

Obwohl Gruppen im Zusammenhang mit anderen Disziplinen entstanden sind, ist die Beschäftigung mit Gruppen an sich sehr interessant. Gegenwärtig sind intensive Forschungen auf diesem Gebiet im Gange.

Dieses Buch ist ausgelegt für ein Grundstudium in Gruppentheorie und ist hauptsächlich gedacht für Studienanfänger.

Es ist in sich abgeschlossen und kann für das Selbststudium oder als Begleittext zu Vorlesungen verwendet werden. Darüber hinaus ist es von Vorteil als Unterstützung zu Vorlesungen in Gruppentheorie und moderner Algebra. Es werden nur geringe Vorkenntnisse vorausgesetzt. Der Leser sollte die Anfangsgründe der elementaren Zahlentheorie kennen, wie sie im Anhang A dargestellt sind. Für einige Aufgaben wird die Kenntnis der komplexen Zahlen benötigt. Kurz, Oberschulkenntnisse in Mathematik sollten völlig ausreichen, und mathematisch interessierte Oberschüler werden in der Lage sein, einen Großteil dieses Buches zu verstehen.

Ziel dieses Buches ist es, das Studium der Gruppentheorie zu erleichtern. Jedes Kapitel beginnt mit einer Übersicht und endet mit einer Zusammenfassung, so daß der Leser das Behandelte als Ganzes überblicken kann. Jeder der Hauptbegriffe wird in einem eigenen Abschnitt eingeführt und ,genauestens erläutert sowie durch Aufgaben mit Lösungen konkretisiert.

Kapitel 1 stellt die Anfangsgründe der Mengentheorie und den Begriff der zweistelligen Operation vor, beides von grundlegender Bedeutung für das ganze Gebiet. Kapitel 2, über Gruppoide, untersucht den Begriff der zweistelligen Operation näher. In den meisten Kursen über Gruppentheorie wird der Begriff der Gruppoide, wenn überhaupt, nur kurz behandelt. Wir haben uns aus folgenden Gründen dafür entschieden, ihn eingehender zu behandeln: (a) Es wird ein vollständiges Verständnis der zweistelligen Operation gewährleistet. (b) Die wichtigen Begriffe des Homomorphismus, des Isomorphismus und der Satz von Cayley treten sowohl im Kapitel über Gruppoide als auch im Kapitel über Gruppen auf und sichern durch die Wiederholung eine gewisse Vertrautheit.

Kapitel 3 zeigt, daß der Begriff der Gruppe ganz natürlich ist, indem es eine Vielzahl von Beispielen vorstellt, wo Gruppen in verschiedenen Bereichen auftreten. Hier werden Gruppen reeller und komplexer Zahlen untersucht sowie die symmetrischen Gruppen, die Symmetriegruppen, Dihedralgruppen, die Gruppe der Möbiustransformationen, Automorphismengruppen von Gruppoiden und Körpern, Gruppen von Matrizen und die volle lineare Gruppe.

Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Homomorphiesätzen und zyklischen Gruppen. Der Begriff des Homomorphismus ist grundlegend, und somit sind die Sätze dieses Kapitels unabdingbar für das weitere Studium.

Kapitel 5 befaßt sich mit endlichen Gruppen. Es werden die Sätze von Sylow bewiesen, der Begriff des äußeren direkten Produkts wird eingeführt, und Gruppen bis zur Ordnung 15 werden klassifiziert. Das Kapitel schließt mit dem Satz von Jordan-Hölder und einem Beweis, daß die meisten alternierenden Gruppen einfach sind.

Kapitel 6 handelt von abelschen Gruppen. Es werden zwei wichtige Klassen von abelschen Gruppen behandelt: endlich erzeugte und dividierbare Gruppen. Im Grundstudium wird man wahrscheinlich das Material bis Abschnitt 6.3 ausreichend finden. Fortgeschrittene Studenten werden sicherlich auch die weiteren Abschnitte verfolgen.

Kapitel 7 befaßt sich mit Permutationsdarstellungen und Erweiterungen. Kapitel 8 handelt von freien Gruppen und Präsentationen. Jene, die die Gruppentheorie eingehender studieren wollen, finden einen Literaturführer am Ende des Buches.

Die Kapitel 1-4 sollten in dieser Reihenfolge gelesen werden, obgleich zunächst die Beschränkung auf die ersten drei Abschnitte des Kapitels 3 möglich ist (die weiteren Abschnitte von Kapitel 3 können bei Bedarf nachgelesen werden). Die Reihenfolge der Kapitel 5-8 kann geändert werden, obwohl ein Teil von Kapitel 7 für die letzten Abschnitte von Kapitel 8 benötigt wird.

Der Leser braucht nicht alle Aufgaben zu bearbeiten. Er sollte wissen, wieviel Übung er benötigt. Einige der Aufgaben sind zur Erläuterung des unmittelbar vorausgehenden Textes ausgelegt, und der Leser wird feststellen, daß die Lösungen eine Reihe seiner Hindernisse überwinden helfen. Die vielen Ergänzungsaufgaben, einige davon sehr schwierig, dienen als Rückblick über das Material des Kapitels."

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Die Motivation für die Beschäftigung mit der Theorie der Gruppen ist offensichtlich: einerseits hat sich die Gruppe seit den in der Untersuchung der Lösungen von Gleichungen begründeten Anfängen der Theorie mehr und mehr als eine allgegenwärtige, grundlegende Struktur herausgestellt, andererseits ist sie in gewisser Weise die schlichteste, vollständige algebraische Struktur und damit am einfachsten einem weitgehenden Verständnis zugänglich. Darüber hinaus tritt heutzutage ein für den Studierenden wesentlicher Aspekt hinzu, nämlich die Einführung in das abstrakte theoretische Denken und in das gerade für die mathematischen Beweismethoden typische kalkülhafte Schließen im Rahmen einer zumindest in den Anfängen noch gut überschaubaren Theorie. Damit spricht der Band "Gruppentheorie" insbesondere alle die Studierenden an, die, naturwissenschaftlich orientiert, die Methoden der modernen Mathematik einsetzen wollen.

Das bewährte Konzept der "Schaum's Outline"-Serie: Einschlägige Definition - Beispiele - zugehörige Sätze - Übungsaufgaben mit Lösungen innerhalb eines Kapitels, sichert eine Vertiefung des behandelten Materials und ermöglicht ein wirkliches Verständnis durch Übungen und Anwendungsbeispiele. Wegen seiner ausführlichen Darstellung der einzelnen gruppentheoretischen Themenschwerpunkte und ihrer Anwendungen eignet sich der vorliegende Band darüber hinaus als Nachschlagewerk und Ergänzungstext zu Vorlesungen.

Diese deutschsprachige Ausgabe richtet sich nicht nur an Mathematikstudenten, sondern auch an Studierende der Physik und Chemie an Universitäten und Fachhochschulen."

Inhalt

Vorwort
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Inhalt

Kapitel 1. Mengen, Abbildungen und zweistellige Operationen
Übersicht Kapitel 1 1
1.1 Mengen 1
a. Grundlegende Bezeichnungen
b. Vereinigung und Durchschnitt
1.2 Kartesische Produkte 6
a. Definitionen
b. Äquivalenzrelationen
c. Zerlegungen und Äquivalenzrelationen
d. Die Quotientenschreibweise
1.3 Abbildungen 11
a. Definition der Abbildung
b. Formale Definition der Abbildung
c. Abbildungstypen
1.4 Zusammengesetzte Abbildungen 17
1.5 Zweistellige Operationen 19
a. Definition
b. Die Multiplikationstafel
Rückblick auf Kapitel 1 24

Kapitel 2. Gruppoide
Übersicht Kapitel 2 26
2.1 Gruppoide 26
a. Definition des Gruppoids
b. Gleichheit von Gruppoiden
2.2 Kommutative und assoziative Gruppoide 29
2.3 Neutrales und inverses Element in Gruppoiden 30
a. Das neutrale Element eines Gruppoids
b. Das inverse Element eines Gruppoids
2.4 Halbgruppen mit neutralem Element 33
a. Eindeutigkeit des Inversen
b. Die Halbgruppe der Abbildungen einer Menge in sich
c. Schreibweise für Abbildungen
d. Die Reihenfolge in einem Produkt
2.5 Homomorphismen von gruppoiden und der Satz von Cayley 40
a. Definition eines Homomorphismus
b. Epimorphismus, Monomorphismus und Isomorphismus
c. Eigenschaften von Epimorphismen
d. Bezeichnung und Isomorphismen
e. MX und Halbgruppen
Rückblick auf Kapitel 2 47

Kapitel 3. Gruppen und Untergruppen
Übersicht Kapitel 3 50
3.1 Gruppen 50
Definition. Beispiel: Gruppen von Zahlen
3.2 Untergruppen 54
3.3 Die symmetrischen und alternierenden Gruppen 56
a. Die symmetrische Gruppe auf X
b. Gerade und ungerade Permutationen
c. Die alternierenden Gruppen
d. Die Ordnung von An
3.4 Gruppen und Isometrien 64
a. Isometrien der Geraden
b. Zwei Punkte legen eine Isometrie fest
c. Isometrien der Ebene
d. Isometrien sind Produkte von Spiegelung, Translation und Drehung
e. Symmetriegruppen
f. Die Dihedralgruppen
3.5 Die Gruppe der Möbiustransformationen 77
a. Definition der Gruppe
b. 2x2-Matrizen
3.6 Symmetrien einer algebraischen Struktur 83
a. Automorphismen von Gruppoiden
b. Körper komplexer Zahlen
c. Automorphismen von Körpern
d. Vektorräume
e. Lineare Transformationen. Die volle lineare Gruppe
Rückblick auf Kapitel 3 91

Kapitel 4. Isomorphiesätze
Übersicht Kapitel 4 94
4.1 Grundlagen 94
a. Einleitende Bemerkungen
b. Mehr über Untergruppen
c. Exponenten
4.2 Zyklische Gruppen 101
a. Grundlegendes über zyklische Gruppen
b. Untergruppen zyklischer Gruppen
4.3 Nebenklassen 107
a. Einführung des Begriffs Nebenklasse
b. Nebenklassen bilden eine Zerlegung. Satz von Lagrange
c. Normalteiler
d. Kommutatoruntergruppen, Zentralisatoren, Normalisatoren
e. Faktorgruppen.
4.4 Hömomorphiesätze 117
a. Homomorphismen und Faktorgruppen: Der Homomorphiesatz
b. Korrespondenzsatz. Satz vom Faktor eines Faktors
c. Der Isomorphiesatz für Untergruppen
d. Homomorphismen zyklischer Gruppen
Rückblick auf Kapitel 4 127

Kapitel 5 Endliche Gruppen
Übersicht Kapitel 5 130
5.1 Die Sylowschen Sätze 130
a. Aussagen der Sylowschen Sätze
b. Zwei Hilfssätze zum Beweis der Sylowschen Sätze
c. Beweis der Sylowschen Sätze.
5.2 Theorie der p-Gruppen 139
a. Die Bedeutung der p-Gruppen in endlichen Gruppen
b. Das Zentrum einer p-Gruppe
c. Die aufsteigende Zahlenreihe
5.3 Direkte Produkte und Gruppen niedriger Ordnung 143
a. Direkte Produkte von Gruppen
b. Gruppen niedriger Ordnung: Ordnungen p und 2p
c. Gruppen niedriger Ordnung: Ordnungen 8 und 9
d. Gruppen niedriger Ordnung: Ordnungen 12 und 15
5.4 Auflösbare Gruppen 158
a. Definition auflösbarer Gruppen
b. Eigenschaften und alternative Definition auflösbarer Gruppen.
5.5 Kompositionsreihen und einfache Gruppen 163
a. Der Satz von Jordan-Hölder
b. Beweis des Satzes von Jordan-Hölder
c. Zyklen und Produkte von Zyklen
d. Transpositionen, gerade und ungerade Permutationen
e. Die Einfachheit von An, n>=a 5
Rückblick auf Kapitel 5 174

Kapitel 6. Abelsche Gruppen
Übersicht Kapitel 6 177
6.1 Einführung 178
a. Additive Schreibweise und endliche direkte Summen
b. Unendliche direkte Summen
c. Die Homomorphieeigenschaft direkter Summen und freie abelsche Gruppen
6.2 Einfache Klassifikation abelscher Gruppen und die Struktur von Torsionsgruppen 188
a. Vorläufige Klassifikation: periodisch, torsionsfrei, gemischt
b. Die Torsionsgruppe
c. Die Struktur von Torsionsgruppen. Prüfergruppen
d. Unabhängigkeit und Rang
6.3 Endliche erzeugte abelsche Gruppen 196
a. Lemmata über endlich erzeugte, freie abelsche Gruppen
b. Fundamentalsatz für abelsche Gruppen
c. Der Typ einer endlich erzeugten, abelschen Gruppe
d. Untergruppen endlich erzeugter, abelscher Gruppen.
6.4 Dividierbare Gruppen 205
a. p-Prüfergruppen. Dividierbare Untergruppen
b. Zerlegungssatz für dividierbare Gruppen
Rückblick auf Kapitel 6

Kapitel 7. Permutationsdarstellungen
Übersicht Kapitel 7 214
7.1 Satz von Cayley 214
a. Ein anderer Beweis zum Satz von Cayley
b. Der Satz von Cayley und Beispiele für Gruppen
7.2 Permutationsdarstellungen 216
7.3 Grad einer Darstellung und treue Darstellungen 217
a. Grad einer Darstellung
b. Treue Darstellungen
7.4 Permutationsdarstellungen auf Nebenklassen 218
7.5 Die Frobeniussche Variante des Satzes von Cayley 222
a. Der Kern einer Nebenklassendarstellung
b. Satz von Frobenius.
7.6 Anwendungen auf endlich erzeugte Gruppen 227
a Untergruppen mit endlichem Index
b. Bemerkungen zum Beweis von Satz 7.4
c. Satz von Marshali Hall
d. Eine Folgerung aus Satz 7.5
7.7 Erweiterungen 232
a. Allgemeine Erweiterung
b. Die zerfallende Erweiterung
c. Eine Analyse zerfallender Erweiterungen
d. Direktes Produkt
7.8 Der Transfer 240
a. Definition
b. Beweis, daß T Homomorphismus ist
c. Beweis, daß T unabhängig ist von der Wahl der Transversalen
d. Ein Satz von Schur
Rückblick auf Kapitel 7 243

Kapitel 8. Freie Gruppen und Präsentationen
Übersicht Kapitel 8 245
8.1 Grundlegende Begriffe 245
a. Definition einer freien Gruppe
b. Länge eines Elements. Alternative Definition einer freien Gruppe
c. Existenz freier Gruppen
d. Homomorphismen freier Gruppen
8.2 Präsentationen von Gruppen 253
a. Definitionen
b. Beispiele für Präsentationen
8.3 Der Untergruppensatz für freie Gruppen: Ein Beispiel 259
8.4 Beweis des Untergruppensatzes für freie Gruppen 260
a. Planung des Beweises
b. Schreier-Transversalen
c. Untersuchung der Elemente ax,s
d. Der Beweis des Untergruppensatzes
e. Untergruppen mit endlichem Index
f. Durchschnitt endlich erzeugter Gruppen
Rückblick auf Kapitel 8 266

Anhang A. Zahlentheorie 269
Anhang B. Ein Literaturführer 270
Sachverzeichnis 274
Symbole und Bezeichnungen 278 - 279

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